Fröbel Jahresbericht 2024: Bildung. Für Kinder. - Bericht - Seite 73
Seit vielen Jahren gibt es Bestrebungen, einheitliche Qualitätsstandards für die frühe Bildung zu
etablieren. Was genau hat es damit auf sich?
Stefan Spieker: Seit knapp zwanzig Jahren kämpfen Akteure aus Kitas, Gewerkschaften, Trägern
und Verbänden für eine Verbesserung der Rahmenbedingungen in der frühen Bildung, um Kitas
zu guten Bildungsorten zu machen. Zu diesen „Big
Five“ der Forderungen gehören: eine angemessene
Fachkraft-Kind-Relation, die grundsätzliche
Freistellung der Leitung, ausreichende Ressourcen
für die mittelbare pädagogische Arbeit, die Begleitung der Kitas durch Fachberatung und ein
umfassendes Fort- und Weiterbildungsangebot
der Fachkräfte. Um gleichwertige Bildungschancen
für Kinder in ganz Deutschland zu ermöglichen,
sollten diese grundlegenden Rahmenbedingungen
für Bildung und Erziehung bundesweit einem
gemeinsamen Standard entsprechen und nicht zu
stark voneinander abweichen.
Derzeit ist die Fachkraft-Kind-Relation in Frankfurt
am Main noch doppelt so gut wie in Frankfurt an
der Oder – und das muss sich ändern. Die fünf
wesentlichen Faktoren für die Strukturqualität
sollten vereinheitlicht oder zumindest einander
angenähert werden. Um zu wissen, wo man mit
seiner Arbeit steht, sollte man sie einschätzen
können. Die pädquis Stiftung untersucht bundesweit die Bildungsqualität in Kindertageseinrichtungen. Worin liegt ihr Hauptschwerpunkt?
Katharina Kluczniok: Pädquis erforscht seit
vielen Jahren die pädagogische Qualität von Kitas
und konzentriert sich dabei vor allem auf die
Prozessqualität. Damit ist das konkrete pädagogische Geschehen, die Interaktionen zwischen
Kindern und Fachkräften bzw. Kindern untereinander gemeint, aber auch die Atmosphäre in einer
Kita-Gruppe. Welche bildungsanregenden Aktivitäten sind in die alltäglichen Bildungsgelegenheiten eingebettet? Welche Spielsituationen bieten
die Kitas?
sowie den pädagogischen Einstellungen der
Fachkräfte betrachtet werden kann, erfassen wir in
unseren Evaluationen immer auch diese Qualitätsdimensionen. Ziel ist es, einen möglichst umfassenden, datenbasierten Blick auf die Lernumgebung Kita zu werfen, der dann Ausgangspunkt für
die konkrete Qualitätsentwicklung ist.
Was haben die Träger davon bzw. wie nutzt
Fröbel diese Daten?
Stefan Spieker: Oben habe ich die wesentlichen
Faktoren benannt, die die Prozessqualität maßgeblich beeinflussen. Neben der Orientierungsqualität sprechen wir hier vom sogenannten
Output der Arbeit von Kindertageseinrichtungen.
Noch wichtiger als die Betrachtung gleicher
Input-Faktoren erscheint uns die Betrachtung der
Prozessqualität. Diese kann durch Evaluationsverfahren gemessen werden.
In fortschrittlichen Bildungssystemen wie zum
Beispiel in Skandinavien, Großbritannien und
Australien findet eine solche Betrachtung schon
seit vielen Jahren statt. In Deutschland ist dies
nur im Land Berlin verbindlich vorgesehen. Die
Betrachtung der Prozessqualität ist aber ein ganz
wichtiger Schritt: Er macht die hohe Qualität von
Kita-Fachkräften sichtbar und hilft uns, im Rahmen
eines Qualitätsentwicklungsprozesses kontinuierlich nachzusteuern. Alle fünf Jahre nehmen wir die
Qualität unserer Einrichtungen unter die Lupe
– auf Basis der externen Evaluation, die für unsere
Einrichtungen von pädquis durchgeführt wird.
Da die Prozessqualität nicht losgelöst von strukturellen Begebenheiten wie Fachkraft-Kind-Relation, Gruppengröße und Gruppenkomposition
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